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Heimweh

Am Sonntag nach der Distrikttour haben Alessandra und ich gemütlich ausgeschlafen. In der Nacht gab es ein starkes Erdbeben, dessen Zentrum irgendwo in Peru war, aber das haben wir beide einfach verschlafen. Es ist nichts weiter passiert als das alles ein wenig gewackelt hat. Besonders Alessandra war nach der Reise echt schlecht drauf. Die Anderen haben im Vergleich zu uns in Latacunga deutlich mehr Freiheiten und haben alle von ihren Abenteuern erzählt. Das hat sie etwas runtergezogen. Dazu kommt noch, dass wir uns wahrscheinlich alle nicht so schnell wiedersehen werden und Alessandra hat im Gegensatz zu mir nicht einen Austauschschüler bei sich in der Nähe wohnen. Das hat den Abschied noch einmal schwerer gemacht.

Am Nachmittag waren die Tanten Piedad und Alex mit einigen anderen der Familie zu Besuch und wir haben eine Runde Telefunken gespielt, bis ich dann am späten Abend von meiner Gastfamilie abgeholt wurde. Mir ging es zwar nicht ganz so schlecht wie Alessandra, aber auch mich hat die letzte Reise ordentlich mitgenommen.

Am Montag habe ich mich trotzdem dazu aufraffen können joggen zu gehen. Am Nachmittag haben wir durch Zufall von Mónica erfahren, dass am Freitag unsere Präsentation bei Rotary ansteht. Wir haben dann nochmal bei Renato nachgehackt. Am Dienstag habe ich dann schon fleißig damit angefangen meine Präsentation vorzubereiten. Da wir im Unterricht ohnehin ignoriert werden, sind Alessandra und ich dafür den ganzen Schultag oben im Englischraum gewesen. So haben wir die Zeit immerhin irgendwie sinnvoll genutzt, anstatt Luftlöcher im Unterricht zu starren.

Am Mittwoch hat mich dann doch noch eine Erkältung erwischt, was nach der Rückkehr von der Küste am Wochenende keine große Überraschung mehr war. Zuhause gab es natürlich kein Internet, sodass ich meine Präsentation nicht ganz beenden konnte. Am Donnerstag war Alessandra dann nicht da und ich habe die Präsentation und alles was dazu gehört in der Schule beenden können. Lustigerweise hatte die Abschlussklasse ein arges Verständnisproblem in Mathe. Sie hatten eine Englischlehrerin, die aber auch ganz gut in Mathe ist, gebeten ihnen das noch einmal auf ihre Weise zu erklären, weil sie bei der eigenen Mathelehrerin nicht durchblicken. Als die dann auch nicht weiterkam, habe ich ihr etwas unter die Arme gegriffen und Wendepunkte, Hochpunkte und Ähnliches erklärt. Ich glaube ich muss nicht mehr erklären, warum ich in meiner Klasse so gelangweilt bin, wenn ich selbst die Themen der Abschlussklasse schon hatte.

Am Freitag hat das gesamte „Colegio“, also die sechs ältesten Klassen, einen Schulausflug in den Boliche gemacht. Das ist ein Naturschutzpark am Fuße des Cotopaxis. Dort findet man einen einzigartigen Wald, der beinahe wie ein Dschungel wird, mal abgesehen davon, dass es kalt ist und man sich auf rund 4000m Höhe befindet. Dort haben wir eine kleine Wanderung gemacht, die nicht Wenige aufgrund der Höhe in die Knie gezwungen hat. Alessandra und ich haben erstaunlicherweise keine weiteren Probleme gehabt. An einem Grillplatz haben wir dann mit unserem Kurs Hamburger und „Churipan“ (ähnlich wie Hotdogs) gemacht. Das war lecker und selbst zubereitet, trotzdem hat mein Magen natürlich auf dem Rückweg protestiert. Das Mittagessen habe ich dann ausfallen lassen und zum Glück hat sich mein Magen bis zum Abend wieder beruhigt, denn es stand das Rotarytreffen mit meiner Präsentation an. Zu dem Treffen werde ich in einem gesonderten Eintrag noch etwas erzählen.

Am Samstag war mir wieder arg langweilig, aber meine Gastmama hat mir dann angeboten mir das Stricken beizubringen, wonach ich sie vor einiger Zeit schon gefragt hatte. Ich musste mich mit knallgelber Wolle zufriedengeben, weil es halt gerade davon noch Reste im Haus gab. Ansonsten gefällt mir das Stricken echt gut und es ist eine zeitintensive Angelegenheit, die entspannt. Also genau das Richtige für meine Langweile.

Auch am Sonntag habe ich fleißig weitergestrickt, bevor ich mich daran gemacht habe Englischunterricht vorzubereiten. Die Direktorin hat nämlich schlussendlich Erlaubnis dazu erteilt, dass Alessandra und ich bei den jüngeren Kindern mal eine Stunde in Englisch übernehmen können. Darauf habe ich mich dann auch vernünftig vorbereitet.

Mein Magen hatte da leider mal wieder andere Pläne, sodass ich erst am Dienstag damit anfangen konnte. Ich war in der zweiten Klasse, bei sechs- bis siebenjährigen, die fasziniert von den Fotos aus Altena waren und mit großer Motivation die Deutschlandflagge ausgemalt haben, um ein „Happy Face“ zu ergattern, was ich ihnen bei Beenden der Aufgabe auf Blatt gestempelt habe. Alles in allem war die Stunde echt ein Erfolg.

Zum Mittagessen war ich bei Miguel Sanzur und seiner Frau, Rotariern, eingeladen, die von meiner Präsentation am vorherigen Freitag beeindruckt waren. Alessandra war eigentlich auch eingeladen, aber sie ist spontan mit einigen Cousinen an den Strand gefahren, sodass ich alleine mit dem älteren Ehepaar war. Ich wollte nicht unhöflich sein und habe brav Hühnerbrühe und Kartoffeln gegessen. Danach durfte ich an den wunderschönen schwarzen Flügel. Es war himmlisch nach neun Monaten auf einem richtigen Klavier zu spielen. Natürlich waren meine Finger nicht mehr ganz so fit, weil die Übung mit beschwerten Tasten fehlt, aber trotzdem hat es echt gut geklappt. Miguel war auch ganz begeistert und hat danach auch noch etwas gespielt. Er spielt ohne Noten und nur nach Gehör. Dazu variiert er die Melodie des jeweiligen Liedes spontan. Es war echt interessant zuzuhören auch wenn das so komplett anders ist, als wie ich spiele. Ich habe mich wohl gut benommen und bin bei dem Ehepaar herzlich willkommen im Haus. Vielleicht werde ich das Angebot für einen erneuten Besuch nächste Woche annehmen, um nochmal ans Klavier zu kommen. Die Beiden sind echt nette Menschen.

Noch besser lief die Stunde Englisch mit der dritten Klasse am Mittwoch, die ohne aufzuhören Fragen stellten. Dadurch habe ich dann meinen Plan etwas abgeändert, denn es gibt nichts Besseres als interessierte Kinder. Es hat richtig Spaß gemacht mit ihnen zu arbeiten. Am Mittwoch habe ich es auch endlich geschafft meinen Blog komplett auf den aktuellen Stand zu bringen. Das Worddokument dazu hat schon mehr als 150 Seiten.

Ich fange an mich unheimlich auf Zuhause zu freuen. Es ist nicht, dass es mir hier schlecht geht, aber so langsam bin ich bereit dazu zurückzukehren. Das Gefühl ist scher zu beschreiben. Ich genieße die verbleibenden Wochen jetzt noch und schaue, dass ich noch so viele schöne Erinnerungen sammle, wie möglich. Am Wochenende sind wir wieder bei Mónica und Jaime eingeladen. Dieses Mal geht es Freitagabend los nach Baños. Wir werden dort in einem Hotel schlafen und haben dann den ganzen Tag dort. Abends geht es dann wieder zurück und ich darf noch bis Sonntag bei Mónica und Jaime bleiben, während Alessandra nur Erlaubnis bis Samstagabend bekommen hat. Darauf freue ich mich schon sehr.

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