· 

Verrückte Karnevalsspiele

Nach den Halbjahresferien ging es am Dienstag dann wieder in die Schule. Am Mittwochnachmittag habe ich von meinem ersten Gastvater das kleine Keyboard vorbeigebracht bekommen, nach dem ich gefragt hatte, weil ich oft gelangweilt bin. Darüber habe ich mich sehr gefreut und direkt in die Tasten gehauen. Leider habe ich da schon eine Weile nur noch sehr miserabel geschlafen, was mit der aktuellen Familiensituation zusammenhängt. Meine Familie ist nett zu mir und fügt mir keinerlei direkten Schaden zu, aber es gab und gibt immer noch Probleme, die mir in der Summe einiges an Stress machen. Sie haben mich kaum in den Familienalltag einbezogen und ich habe mich sehr im Haus eingesperrt gefühlt. Dadurch, dass mein Gastvater ständig unterwegs ist und dabei wenig Rücksicht auf seine Frau und den Rest der Familie nimmt, sind wir oft ohne Auto zuhause. Außerdem haben meine Gasteltern oft das Haus (auch mit meinen Gastgeschwistern zusammen) verlassen, ohne mir überhaupt bescheid zu sagen oder zu fragen ob ich mitmöchte. Ich war zwar nie ganz allein Zuhause, weil dann die Schwester meines Gastvaters auf den kranken Großvater aufpasst, aber es war schon irgendwie blöd, dass sie mich so ausgeschlossen haben. Durch den verwinkelten Schnitt des Hauses habe ich das Verlassen einfach nicht mitbekommen. Zudem ist die Stimmung zwischen meinen Gasteltern sehr angespannt und das überträgt sich auf das gesamte Klima im Haus. Ich weiß, dass meine Gastmama nicht wollte, dass ihr Mann kandidiert. Im Allgemeinen ist die Familie sehr traditionell strukturiert und wenn mein Gastpapa etwas will, soll seine Frau oder seine Kinder ihn gefälligst bedienen. Wenn er dann mal zu den Essenszeiten da war, wurde nur über Politik am Tisch gesprochen und er hat sich nicht mal dafür interessiert, was mein kleiner Gastbruder von seinem Tag erzählen wollte. Er ist sehr gestresst von dem Wahlkampf, aber meiner Meinung nach sollte man das und das private Leben zumindest ein wenig trennen können. Ich habe mich dann am Mittwochabend dazu entschieden meinen Counselour deswegen um ein Treffen zu beten, da ich mich absolut unwohl gefühlt habe. Meine Gastmama war in Quito ein anderer Mensch, als sie mit ihrer Familie zusammen war. Ich kann niemandem vorwerfen mich schlecht zu behandeln, aber ich wollte die Situation verbessern, bevor das Ganze einen Punkt erreicht, an dem es zu spät ist. Mein Counselour hat sich auch direkt am Freitagabend für mich Zeit genommen. Er hat mich zum Essen eingeladen und ich habe ihm erklärt was alles in der Familie los ist. Es gibt viele Einzelheiten, die insgesamt dazu gefühlt haben, dass es mir wirklich schlecht ging. Es wäre jetzt zu lange, dass alles einzeln aufzuzählen, aber ich hoffe ihr könnt das trotzdem nachvollziehen. Mir ist wichtig, dass niemand mich falsch versteht. Meine Gasteltern sind nette Menschen, die mich mit Respekt behandeln, aber ich war mit der Situation unzufrieden. Da ich nicht den Mut aufgebracht habe das direkt mit meiner Gastmama zu besprechen, habe ich dann entschieden die Möglichkeit zu nutzen mit Martín darüber zu reden, schließlich ist mein Counselour genau für solche Situationen da. Nachdem ich mich mehr als zwei Stunden mit ihm unterhalten habe, habe ich mich dann entschieden am Abend unter vier Augen mit meiner Gastmama zu sprechen, da ich zu ihr das bessere Verhältnis habe, schließlich sehe ich meinen Gastvater ja kaum. Wir haben dann in Ruhe in meinem Zimmer geredet und sie hat sehr nett reagiert. Ich hatte Angst, dass sie mich falsch versteht und die Probleme die wir miteinander (es gibt schließlich immer ZWEI Seiten) haben persönlich nimmt oder als Kritik an ihrer Person oder an der Familie auffasst. Sie hat mir ganz geduldig zugehört und wir konnten einige Missverständnisse aus dem Weg räumen. Alessandra zum Beispiel wollte nie mit Einkaufen gehen oder Ähnliches und sie hatte gedacht, ich wäre derselben Meinung. Sie hat mir zugestimmt, dass die Stimmung im Haus aktuell sehr angespannt ist, aber sie hat mir versprochen, dass sich das nach den Wahlen am 24. März ändern wird, egal wie die Wahlergebnisse aussehen. Ich bin nun einmal ein sensibler Mensch und ich finde nichts schlimmer als wenn der Haussegen so richtig schief hängt. Wir haben dann abgemacht, dass wir eine Möglichkeit suchen, dass ich Sport machen kann, damit ich nicht die ganze Woche am Nachmittag nur im Haus hocke und damit ich gleichzeitig auch wieder ausgelastet bin und sich meine Schlafqualität verbessert. Ich hoffe, dass sich die Situation jetzt verbessert und mich wohler fühle.

 

Am Freitag in der Schule haben wir auch das erste Mal Karneval gespielt. Hier in Ecuador ist es üblich sich an Karneval mit Wasser, Carioca, Eiern, Mehl, Wasserbomben, etc. zu bewerfen. Ursprünglich war das ein Brauch der Einheimischen mit einer religiösen Bedeutung, da die Spanier bei ihrer Ankunft alle religiösen Aktivitäten verboten haben und die Einheimischen zu Katholiken konvertieren wollten, haben diese den religiösen Hintergrund verschwiegen. Über die Jahre hat es sich dann zu Karneval entwickelt und nur wenig sind sich der Ursprünglichen Bedeutung bewusst. In der Schule haben wir nur mit Carioca gespielt, dummerweise hat das meine Sonnencreme erfolgreich vom Gesicht entfernt sodass im mich an diesem sonnigen Tag direkt komplett verbrannt habe. Am Nachmittag hatten meine Gastgeschwister einige Freunde eingeladen und zusammen haben wir dann mit Wasser und Cariocas den Nachmittag Karneval gespielt. Am Abend hatte ich dann ja das Treffen mit meinem Counselour, wie ich weiter oben bereits erklärt habe.

 

Den Samstag habe ich Zuhause verbracht, denn mein Gastvater war unterwegs wegen seinem Wahlkampf. Meine Gastmama hat mich in den Alltag mit einbezogen, mich beim Mittagessen machen um Hilfe gebeten und im Allgemeinen hat sie sich sehr viel Mühe für ein angenehmes Klima im Haus gegeben. Sogar mein Gastvater hat sich beim Abendessen bemüht nicht nur über die seiner Meinung nach schlechten Aussagen der anderen Kandidaten aufzuregen, sondern ein etwas persönlicheres Gespräch zu führen.

 

Am Sonntag hatte mich meine erste Gastfamilie zum Familientreffen in Salache eingeladen. Dort habe ich zuerst mit Rosy und einem Onkel die Pferde der Nachbarn besucht. Die waren noch sehr jung und sehr verspielt und aufmüpfig. Ein Alpaka auf dem Weg wollte mir unbedingt ein Küsschen aufs Gesicht drücken, aber zum Glück bin ich groß genug, sodass es nicht drangekommen ist. Nach dem Mittagessen haben fast alle Karneval gespielt. Da das Wetter wirklich gut war, ließ es sich auch gut in nassen Klamotten aushalten. Besonders viel Spaß hatte Rosys Mutter Tina, die ganz scheinheilig und hinterhältig neben der Haustür gewartet hat und Rafa mitten ins Gesicht getroffen hat mit ihrer Schüssel voll Wasser. Der hatte sich nämlich wie ein Feigling im Haus verschanzt und nur aus der Tür heraus alle nass gemacht. Da wir drinnen nichts nass machen sollten, konnten wir ihn nicht erwischen. Später hat aber auch er das Haus verlassen. Ich habe den Tag richtig genossen und es war so schön meine erste Gastfamilie mehr oder weniger vollzählig wiederzusehen. Am Abend haben sie mich dann wieder zurückgebracht. Es ist schön zu wissen, dass sie immer hinter mir stehen und mir mit allem Helfen. Wenn es mir schlecht geht, habe ich meine zweite Mama hier, die ich immer anrufen kann.

 

Am Montag sind wir kurzfristig nach Quito gefahren, weil ein Onkel von Maria Antonieta verstorben war. Der Bruder ihres Vaters hat nach Jahren mit Alzheimer seine Reise in den Himmel angetreten. Ich kannte weder den Verstorbenen noch einen Großteil der Anwesenden Trauergesellschaft. Wir haben Stunden in dem Gebäude verbracht, wo am Abend auch der Gottesdienst zur Beerdigung stattfand. Zum Mittagessen sind wir in ein nahe gelegenes Schnellrestaurant gelaufen und ich haben einen Burger bekommen (kein Hühnchen!!) worüber ich mich sehr gefreut habe. Dabei habe ich herausgefunden, dass meine Gastoma überhaupt kein Hühnchen mag und ihr Haushalt wohl einer der wenigen in Ecuador ist, indem das Essen nicht nur aus solchem besteht. Insgesamt habe ich mich auf der Beerdigung sehr unwohl gefühlt, denn alle waren traurig und niedergeschlagen. Ich war fehl am Platz, weil ich den Verstorbenen schließlich nicht kannte. Am Abend sind wir dann noch zum Haus der Eltern von Maria Antonieta gefahren und haben den Geburtstag ihres Bruder Jorge vorgefeiert, der am Mittwoch danach Geburtstag hatte. Da war die Stimmung wieder etwas besser. Besonders leid hat mir mein Gastopa getan, der die Nachricht von seinem verstorbenen Bruder mehrmals am Tag aufnehmen musste, weil er wegen seiner Krankheit sehr oft vergessen hat wo er überhaupt ist und wer gestorben ist. Bereits am Abend wusste er überhaupt nicht mehr, dass er auf einer Beerdigung war. Ich war am Ende dann doch froh, als wir die Heimreise angetreten sind.

 

Am Dienstagnachmittag war ich bei meinem Klassenkameraden Esteban zu Besuch, der die ganze Klasse zum Karnevalspielen eingeladen hatte. Am Ende waren wir etwa die Hälfte des Kurses, hatten aber trotzdem viel Spaß. Leider war das Wetter nicht mehr ganz so schön wie die Tage davor, weswegen es sehr kalt war. Daraus resultierte, dass ich seit Mittwoch Halsschmerzen haben, die bis heute (Samstag) immer noch nicht weg sind. Ich hoffe das verschlimmert sich auf Galapagos nicht noch.

 

In der Schule gab es am Freitag eine Veranstaltung anlässlich des Weltfrauentages. Zwei meiner Klassenkameraden haben eine Rede über die Wichtigkeit der Frau gehalten und alle Mädchen der Schule haben von den Schülervertretern eine Rose bekommen. Am Nachmittag hat meine erste Familie mich zu der Geburtstagsfeier von Tina (Rosys Mama) eingeladen. Dort gab es köstlichen Kuchen und Caca de Perro (Dazu hatte ich auch mal ein Rezept hochgeladen). Am Abend haben wir dann noch Telefunken gespielt, das ist ein Kartenspiel, dass ein wenig an Rommé und Phase 10 erinnert. Wer mich kennt, weiß dass ich solche Spiele liebe. Da alle anderen schon Profis sind, hatte ich mal wieder nicht die größte Chance zu gewinnen, aber immerhin bin ich auch nicht Letzte geworden. Mein erster Gastpapa hatte dann noch eine Überraschung für mich: Das Paket ist angekommen! Zwar hat der Zoll in etwa die Hälfte aussortiert, aber immerhin ist etwas angekommen, womit ich ehrlich gesagt nicht mehr gerechnet hätte. Das was sie aussortiert haben, war dem Augenschein nach eher willkürlich und es ist kein System dahinter zu erkennen, aber einige Dinge, über die ich mich riesig gefreut habe, sind tatsächlich angekommen. Darunter zum Beispiel eine warme Thermostrumpfhose, die in etwa die richtige Farbe für die Schuluniform hat und die mir ab jetzt montags das frieren ersparen wird. Vielen Dank an dieser Stelle an euch Mama und Papa und natürlich auch an Sina, Sandra und Gerhild, die mitgeholfen haben das Paket zusammenzustellen.

 

Ich habe dann auch noch am Abend meinen Koffer für Galapagos größtenteils fertig gepackt, damit ich heute keinen Stress damit habe. Wir waren bereits einkaufen und ich habe mir Rohkost für die Reise besorgt, die ich unterwegs snacken kann. Ich bin schon total aufgeregt. Dummerweise ist unser Flug nach Galapagos von Guayaquil aus und deswegen müssen wir die ganze Nacht mit dem Bus durchfahren, um pünktlich um 6 Uhr morgens dort zu sein, aber das ist es wert! Ich berichte euch danach wie es war!

 

Wie euch vielleicht aufgefallen ist, sind keine Bilder mehr bei den Beiträgen dabei, das liegt daran, dass das WLAN hier so schlecht ist, dass ich die nicht hochgeladen bekomme. Wer Bilder sehen möchte, kann bei Instagram vorbeischauen und ich versuche ab jetzt auch Bilder bei Facebook einzustellen, da einige von euch ja kein Instagram haben. Das tut mir sehr leid, aber die Technik spielt nicht mit. Bis bald!

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0