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Examen, Baños und Quito

Nachdem ich die Grippe überstanden hatte, war ich zwar immer noch nicht ganz wieder fit, konnte aber immerhin wieder in die Schule gehen. Mittwoch fühlte ich mich schon fast wieder wie die Alte. Unglücklicherweise ging in der Familie aber eine Magendarmgrippe um, die mich am Mittwochnachmittag dann auch erwischt hat. Ich hatte meine Gasteltern nach Ambato, eine nahe gelegene Stadt, begleitet. Auf dem Rückweg hat mich dann die Übelkeit erwischt und ich musste mich mehrmals auf dem Weg übergeben. Meine Gastmutter hat sich ganz lieb um mich gekümmert und mir sogar die Haare zurückgehalten. Wieder daheim angekommen, hörte das Erbrechen bis etwa drei Uhr in der Nacht nicht auf. Selbst die kleinste Menge Wasser, die ich zu mir nahm, kam sofort wieder hoch und ich war kurz davor zu sagen, dass wir ins Krankenhaus fahren. Nachdem ich endlich eingeschlafen war, war der Spuck am nächsten Morgen schon vorüber. Ich habe mich zwar immer noch schlapp gefühlt und konnte noch nicht normal essen, aber immerhin hatte ich keine Übelkeit mehr. Ich bin den Donnerstag dementsprechend nicht zur Schule gegangen. Freitag musste ich dann aber gehen, weil ich immer noch die Spanischprüfung nachholen musste, die ich am vorherigen Donnerstag verpasst hatte. Ich habe übrigens alle notwenigen Prüfungen bestanden und muss mir darum keine weiteren Sorgen machen. Nach den Prüfungen hatten wir eine Woche Ferien.

 

Am Samstag haben zwei Rotarier Alessandra und mich zu einer Tagesreise nach Baños eingeladen. Das ist eine Stadt, die an der Grenze zum Dschungelgebiet liegt und einiges an Attraktionen für Touristen bietet. Zusammen mit Jaime und Mónica, den Rotariern, und Violetta, eine Freundin der Beiden, haben wir unsere Reise am frühen Morgen begonnen. Eigentlich wollte auch Guillermo, der Counselour von Alessandra zusammen mit seiner Familie mitkommen, aber er ist leider krank geworden und deshalb waren wir dann nur zu fünft unterwegs.

 

Unser erster Stopp war dann an einem Kanopy Stand. Dort wird kann man in einem Klettergurt gesichert eine Art Seilbahn herunterrutschen und so eine Schlucht überqueren. Zusammen mit Alessandra habe ich das dann auch gemacht. Besonders vor dem Start hatte ich doch ein mulmiges Gefühl, da wir uns dafür entschieden hatten auf dem Bauch liegend und mit dem Kopf voran zu rutschen. Wir hätten es auch einfach im Sitzen machen können, aber wir haben uns gedacht: ganz oder gar nicht. Im Endeffekt war es richtig cool und hat sehr viel Spaß gemacht. Die Tour mit solch einem Adrenalinkick zu beginnen, war eine gute Idee, denn danach war auch Alessandra richtig wach, die vorher im Auto ständig eingeschlafen war.

 

Danach ging es weiter zu einem der unzähligen Wasserfälle in diesem Gebiet. Man musste eine Weile über einen befestigten Weg wandern und zwei Hängebrücken überqueren, um den Wasserfall des „Rio verde“ zu erreichen. Der „grüne Fluss“ ist im Gegensatz zu den meisten Gebirgsflüssen hier, sehr klar und enthält nur wenig Sedimente, weshalb er durch die Reflektionen der vielen Bäume und Pflanzen im Wasser grün wirkt. Der Wasserfall war gigantisch und eindrucksvoll. Ein praktischer Nebeneffekt war, dass die Luft in der Nähe des Wasserfalls angenehm frisch war. Wir hatten einen besonders sonnigen Tag erwischt und dementsprechend warm und schwül war es.

 

Danach ging unsere Reise weiter zu einem mitten im Dschungel gelegenen Schweizer Restaurant. Dafür mussten wir mit dem Auto eine wackelige Hängebrücke überqueren. Ich bin froh, dass diese die beiden Überfahrten überstanden hat und wir nicht im Fluss geendet sind. Das Restaurant lag abseits der befestigten Straßen und es war allein ein Abenteuer dort anzukommen. Auf dem Weg hatte es angefangen stark zu Regnen. Trotzdem waren die Temperaturen noch angenehm hoch, sodass wir uns im überdachten Außenbereich hinsetzen konnten. Ich habe ein Nudelgratin gegessen. Nach Monaten mit quasi nur Hühnchen und Reis war das die leckerste Mahlzeit, die ich bis jetzt hier in Ecuador hatte. Der Käse war himmlisch und die Nudeln waren nicht aus Reis gemacht. Zu meinem Glück hat auch mein Magen mitgespielt, der ja noch von der Magendarmgrippe etwas angeschlagen war.

 

Nachdem unsere Bäuche gefüllt waren, ging es weiter zum „Casa de arbol“ (Baumhaus). Dieser Ort wurde berühmt, als dessen Besitzer ein Foto auf einer Schaukel schoss in dessen Hintergrund der Vulkan Tungurahua ausbrach. Dieser Vulkan ist seit mehreren Jahrzehnten sehr aktiv und bricht beinahe ununterbrochen aus. Dadurch stellt er aber eine geringere Gefahr dar als der Cotopaxi, da sich so kein Druck aufbaut und es keine größeren Explosionen geben kann. Das Foto gewann im Jahr 2014. Den Preis des National Geografik und wurde dadurch berühmt. Heutzutage ist die ganze Anlage kommerzialisiert. Es wurden neue Schaukeln an Stahlkonstruktionen aufgehangen, sodass man als Tourist besagtes Foto nachstellen kann. Das haben wir natürlich auch gemacht.

 

Zum Abschluss haben wir noch eine kleine Runde in der eigentlichen Stadt Baños gedreht und in einem sehr hübschen Café einen Kaffee getrunken. Es war bereits später Nachmittag und somit mussten wir schweren Herzens die Rückreise antreten. Am Abend durfte ich dann noch spontan bei Alessandra übernachten. Am nächsten Morgen hat meine Gastmama mich wieder eingesammelt, weil sie ihren Mann ohnehin in der Nähe abliefern musste.

 

Nachdem ich den Sonntag dann relativ entspannt verbracht habe, hat mich Alessandra am Montag nach dem Mittagessen bis zum Abend besucht. Ihre Familie ist mit Fáti nach Quito gefahren, weil ihre Zahnspange herausgenommen wurde. Damit Alessandra nicht den ganzen Tag allein Zuhause bleiben musste, ist sie zu mir gekommen. Gemeinsam mit Caro haben wir den nahegelegenen Fluss besucht, Alessandras Bilder von ihrer Kamera übertragen und aussortiert und am Abend noch einen Film geschaut, bis sie dann wieder abgeholt wurde.

 

Am Mittwoch musste ich gemeinsam mit meiner Familie mit zu einigen politischen Veranstaltungen bezüglich der Bürgermeisterwahlen. Der Parteichef von „Creo“, der Partei meines Gastvaters, hat die Kandidaten der Region besucht, um sie in ihrem Wahlkampf zu unterstützen. Zuerst gab es eine große Pressekonferenz in einem Restaurant nahe Salcedo. Danach haben wir auch dort zu Mittaggegessen bevor es mit Autokorso durch einige Vororte Latacungas ging. Zum Abschluss gab es am Abend noch einige Reden im Stadtzentrum auf einer großen Bühne. Ich hatte Glück und durfte zusammen mit meiner Tante und den kleinen Kindern gegen sieben Uhr wieder zurück nach Hause fahren und musste nicht bis zum Ende bleiben. Die Veranstaltung war für mich sehr langweilig und es war anstrengend den ganzen Tag unterwegs zu sein.

 

Am Donnerstagmittag bin ich dann gemeinsam mit meiner Gastmama und meinen Geschwistern mit dem Bus nach Quito aufgebrochen. Dort haben wir die Familie meiner Gastmama besucht. Mein Gastpapa ist wegen seinem Wahlkampf Zuhause geblieben. Meine Gastschwester hat den ganzen Hinweg lang rumgejammert und geheult, weil sie eigentlich nicht mitwollte. Dadurch war die Anreise etwas stressig. Als wir aber am Nachmittag letztendlich ankamen, war die schlechte Stimmung verflogen und wir wurden herzlich empfangen. Gemeinsam haben wir dann noch Mittag gegessen. Ich habe meine Gastmama danach zum Optiker begleitet, da ihre Brille kaputt gegangen war und sie eine Neue brauchte. Sie hat sich glaube ich sehr darüber gefreut, dass ich mitgekommen bin und wir haben uns nett unterhalten können. Insgesamt ist unsere Beziehung mittlerweile um ein Vielfaches herzlicher und besser als vorher. Seitdem ich mit der Grippe so krank im Bett lag, hat sie angefangen mich mehr wie ihre Tochter zu behandeln und weniger wie einen fremden Hotelgast.

 

Am Freitag sind wir dann mit dem Bus ins historische Stadtzentrum gefahren. Lina, eine gutes Austauschfreundin von mir, hat uns begleitet. Sie wohnt in Quito keine 10 Minuten weit weg von dem Haus meiner Großeltern, indem auch beinahe alle Tanten und der Onkel wohnen. Wir haben eine kleine Runde im Zentrum gedreht und unter anderem das Stadtmuseum besucht, welches sich im Gebäude des ersten Krankenhauses Quitos befindet. Dort hatten wir eine sehr interessante Führung über die Geschichte der Region und der Stadt. Da ich vorher so gut wie nichts darüber wusste, war es echt spannend. In der Stadt gibt es beispielsweise Unmengen an Kirchen, die von verschiedenen Glaubensgruppen (Franziskaner, Augustiner, etc.) der katholischen Kirche errichtet wurden. Einige von dieses haben wir im Anschluss ebenfalls besucht. Typisch für diese Zeit war der Barock. Diese Stilrichtung ist aus Angst vor dem leeren Raum sehr pompös. Fast alle Kirchen waren über und über mit Blattgold versehen. Wir waren von halb elf bis abends halb fünf unterwegs und bei unserer Rückkehr entsprechend hungrig. Lina hat noch gemeinsam mit uns Mittag gegessen, dann hat sie sich wieder auf den Heimweg gemacht, bevor es dunkel wurde.

 

Am Abend haben wir noch Pizza bestellt und bis spät in die Nacht gemeinsam am Tisch gesessen und gequatscht. Die Nacht war dann etwas kurz für mich, denn ich habe auf einem Sofa in einem Durchgang geschlafen. Um etwa 5:20 Uhr gab es ein starkes Erdbeben im Südosten Ecuadors. Zum Glück ist der Dschungel dort kaum besiedelt und es gab keine Todesfälle, aber das Erdbeben hat man durch dessen Tiefe bis zur Küste gemerkt. Kurz darauf folgte ein zweites in direkter Nähe zu Guayaquil im Süden, welches aber bereits etwas schwächer war. In Quito hat man nichts davon gemerkt, aber meine Familie war aufgestanden, da sie Verwandte in Porto Viejo an der Küste haben. Dort gab es vor einigen Jahren ein sehr starkes Erdbeben, was ganze Stadtteile zum Einsturz gebracht hat. Dementsprechend nervös waren alle nach dem ersten Erdbeben und sind telefonierend durchs Haus gelaufen. Dadurch haben sie mich natürlich aufgeweckt und da es dann bereits kurz vor sechs war, sind alle aufgeblieben. Die Familie betreibt gemeinsam ein kleines Café in der unteren Etage des Hauses, weswegen sie ohnehin früh aufstehen, um entsprechend das Frühstück vorzubereiten. Ich habe dann darum gebeten in der nächsten Nacht woanders schlafen zu können, was auch ohne Probleme geklappt hat, da meine Cousine außerhalb genächtigt hat und ich dann in ihrem Zimmer schlafen konnte.

 

Zum Frühstück gab es dann, sehr zu meiner Freude, auch nochmal Reste von der Pizza. Am Samstagvormittag sind wir zusammen mit meinem Gastopa, der Alzheimer hat, zum Teleférico gefahren. Zu unserem Glück mussten wir nicht allzu lange an der Seilbahnstation warten und waren relativ schnell oben. Leider war das Wetter ein wenig bewölkt und die Sicht auf die Stadt nicht optimal, aber es war trotzdem schön. Wir haben zusammen eine riesige blaue Zuckerwatte verputzt und hatten danach blaue Zungen. An den zwei Aussichtspunkten, haben wir noch ein paar Fotos gemacht und sind dann wieder heruntergefahren. Auch wenn sich mein Gastopa schon kurz danach nicht mehr wirklich an den Ausflug erinnern konnte, so hat man ihm doch währenddessen angesehen, dass er Spaß hatte und zufrieden war. Meine Gastmama hat sich bei mir später bedankt, dass ich mich mit Engelsgeduld mit ihm immer wieder über dieselben Sachen unterhalten habe und ihm so eine Freude gemacht habe.

 

Am Nachmittag bin ich zusammen mit meiner Gastmama, meinem Onkel, dessen Freundin und einer Cousine noch zum Panecillo gefahren. Bis heute weiß man nicht, ob diese Erhebung natürlich ist, oder ob die Inka sie damals errichtet haben. Von dort hatte man nochmal eine schöne Sicht auf die Stadt und es war interessant die Orte, die wir Freitag besucht hatten, noch einmal von Oben zu sehen. Erst durch diesen Überblick werden einem die Ausmaße bewusst. Dann ging es wieder zum Haus der Großeltern. Nach einem schnellen Abendessen mussten wir uns auf den Heimweg nach Latacunga machen. Netterweise wurden wir bis zum Busterminal gebracht. Danach mussten wir wieder mit dem Bus die ganze Stadt durchqueren, bis wir das interprovinziale Terminal erreicht hatten. Von dort aus ging es dann wieder gemütlich in einem großen Reisebus weiter bis nach Latacunga. Wir kamen erst gegen kurz nach zehn in der Nacht an. Obwohl die Tage in Quito sehr anstrengend waren, so habe ich die Zeit sehr genossen, denn ich habe mich dort sehr willkommen und wohl gefühlt. Ich freue mich schon auf das nächste Mal, wenn wir unsere Familie dort besuchen.

 

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