Ein halbes Jahr – Fazit nach 6 Monaten

Es ist erstaunlich wie schnell die Zeit vergangen ist. Es ist wie gestern, als ich meine Eltern am Flughafen das letzte Mal in den Arm genommen habe, ich auf die Rolltreppe gestiegen bin und wir uns das letzte Mal gesehen haben. Seitdem ist so viel passiert. Ich habe viele Gute, aber auch schlechte Erfahrungen gesammelt. Ich bin an Herausforderungen gewachsen und habe neue Dinge hinzugelernt.

 

Ich träume mittlerweile schon auf Spanisch. Das ist echt komisch, aber ein gutes Zeichen. Die meisten Dinge im Alltag übersetze ich nicht mehr ständig im Kopf auf Deutsch. Darunter hat meine Ausdrucksweise auf Deutsch ein wenig gelitten, aber so ist das nun einmal. Ich kann mittlerweile von mir behaupten, dass ich fließend Spanisch spreche. Klar taucht hier und da nochmal ein Wort auf, dass ich nicht kenne, aber im Großen und Ganzen gibt es keine Probleme.

 

Der Familienwechsel hat mir sehr zugesetzt und besonders die erste Woche war emotional sehr schwierig. Ich hatte mehr Heimweh zu meiner ersten Gastfamilie, als Heimweh nach Deutschland, einfach weil ich sie immer noch sehe und sie so nah sind. Die kompliziertere Familiensituation hier im Haus hat es mir nicht unbedingt leichter gemacht. Aber ich habe der Familie eine Chance gegeben, schließlich habe ich mich ja auch in der ersten Familie nicht vom ersten Tag an Pudelwohl gefühlt. Nun nach etwas mehr als einem Monat in dieser Familie haben wir langsam zueinander gefunden. Besonders zu meiner Gastmama hat sich das Verhältnis enorm verbessert und langsam fühle ich mich ein wenig mehr zuhause. Es ist immer noch schwierig in manchen Situationen und ich langweile mich oft, wenn alle anderen im Haus beschäftigt sind und das WLAN mal wieder ausgefallen ist, aber ich lerne langsam damit umzugehen. Die Bürgermeisterwahlen sind schon Ende März und danach fällt wenigstens der Stress des Wahlkampfes weg.

 

Mit dem Essen hier mag ich mich immer noch nicht so wirklich anfreunden. Ich werde satt, aber wirklich lecker finde ich nur weniges. Ich freue mich jetzt schon wieder Nudeln mit Tomatensauce essen zu können. Ich weiß immerhin mittlerweile von welchen Dingen ich lieber die Finger lasse, weil sie mir Magenprobleme bereiten.

 

Ich hatte natürlich auch Heimweh nach Deutschland, aber überraschenderweise hat sich das in Grenzen gehalten. Bis jetzt habe ich mir nicht einmal gewünscht früher nach Hause zu fliegen. Durch die heutige Technik kann ich per Videochat mit meinen Eltern reden und das macht es deutlich einfacher. Ich glaube ja insgeheim, dass sie mich mehr vermisst haben, als ich sie, denn sie hatten es gerade bis Ende Januar mit der Taiwanesin etwas schwer.

 

Im Moment bin ich mehr oder weniger zufrieden. Ich fühle mich sehr eingesperrt im Haus, da ich eigentlich keine Möglichkeit habe rauszukommen und mich mit Freunden zu treffen, da die beinahe alle im Urlaub sind. Insbesondere meine Gastmama hat sich aber sehr viel Mühe gegeben, dass wir immerhin ein paar Tage nach Quito fahren konnten, damit ich nicht die ganzen Ferien im Haus verbringe. Es ist halt einfach ein bisschen blöd von allen Strandfotos und Urlaubsfotos zu sehen, wenn man selbst nicht weiter als bis vor die Haustür kommt. Alessandra war auch fast die ganzen Ferien mit ihrer Familie am Strand. Ich freue mich darauf, dass Dienstag endlich wieder Schule ist und ich meine Freunde zumindest in den Pausen sehen kann. Mir fehlt die Schule ungemein, was ich nicht erwartet hätte, aber da ich hier ja nicht den Stress habe alles zu lernen, wie es die letzten Jahre in Deutschland war, finde ich es eigentlich ganz entspannt zur Schule zu gehen. Meine Familie weckt mich ohnehin immer früh morgens zum Frühstücken, also kommt es fast aufs selbe heraus.

 

Ich will die letzten vier Monate hier einfach nur noch genießen und so viel wie möglich noch erleben. In knapp zwei Wochen geht es für mich schon nach Galapagos, worauf ich mich sehr freue, denn damit geht ein Lebenstraum in Erfüllung.

 

Klar ist das Auslandsjahr nicht einfach und es gibt immer wieder Dinge, die mir Angst machen oder die mich in den Wahnsinn treiben, aber ich lerne so viel dazu. Ich habe am Anfang gesagt ich möchte lernen ein offenerer Mensch zu werden und ich bin mir sicher, dass ich schon nach einem halben Jahr ein anderer Mensch bin. Ich habe Freunde hier, die sich um mich sorgen und mit denen ich Spaß haben kann. Meine zwei Familien sind auf ihre Art und Weise einfach herzlich und nett und versuchen das ihnen Bestmöglich zu machen, damit mein Jahr noch schöner wird. Ich bin einfach so dankbar diese Erfahrung machen zu können und ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass es die richtige Entscheidung war nicht direkt ins Studium zu starten. Ich glaube ich habe diese Auszeit gebraucht und werde sie bis zum Ende ausnutzen, bevor dann der Ernst des Lebens beginnt.

 

Ich werde am 7.7. abends wieder in Deutschland landen und ich freue mich schon alle wiederzusehen. Egal wie wohl ich mich fühle, so langsam beginnt die Vorfreude wieder zurückzufliegen und besonders meine Eltern wieder in die Arme zu nehmen. Liebe Grüße an alle daheim!

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0