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Hilfsaktion mit Augenärzten aus den USA

In der letzten Januarwoche hat der Rotaryclub Latacunga eine Hilfsaktion mit Augenärzten aus den USA organisiert. Die Gruppe ist nun schon zum dritten Mal nach Latacunga gekommen. Unter den insgesamt 10 Leuten waren vier Augenärzte und der Inhaber einer großen Brillenfirma in den Staaten. Die Anderen waren als Helfer mit. Die Gruppe ist nun schon das dritte Mal in neun Jahren nach Latacunga gekommen, da sie die gute Organisation und die Arbeit mit dem ortsansässigen Rotary- Club besonders schätzen. Die Amerikaner selbst sind teilweise ebenfalls Rotary- oder Lionsclubmitglieder. Jedes Jahr organisieren sie derartige Hilfsaktionen in der ganzen Welt mit der Hilfe der Rotaryclubs vor Ort. Rotary bietet ihnen das nötige System, um möglichst effizient möglich vielen Menschen zu helfen. Über Asien bis nach Südamerika haben sie schon unzählige Länder und Städte bereist und dabei vielen Menschen geholfen. Sie bringen Koffer voller Brillen mit, die in den ganzen USA gesammelt werden. Dabei handelt es sich z.B. um Brillen von Verstorbenen oder von Leuten, die eine Neue brauchten und sich dazu entscheiden die Alte zu spenden. Mike, der Inhaber der Brillenfirma, restauriert die Brillen, bestimmt die Stärken und bereitet sie für einen erneuten Gebrauch vor.

 

Am ersten Tag ging es für uns hinauf in die Berge in einen der ländlichsten Bezirke der Stadt oberhalb meines neuen Zuhauses, das in der Nähe dieses Stadtbezirkes liegt. Dort sollte die Aktion eigentlich in einer Kirche stattfinden, aber dort gab es bei unserer Ankunft weder Strom noch Wasser. Zu unserem Glück hat sich eine nahe gelegene Schule bereiterklärt, uns Ihre Klassenräume zur Verfügung zu stellen. Als die Amerikaner dann kurze Zeit später mit dem Bus ankamen, hatten wir bereits alles wichtige Regeln können. Die ersten Patienten waren ebenfalls bereits vor Ort. Wir haben uns nicht lange mit einer Vorstellungsrunde aufgehalten, sondern direkt angefangen alles so herzurichten, dass wir direkt mit der Arbeit beginnen konnten. Einige Schüler haben uns sogar netterweise dabei geholfen, Tische und Stühle entsprechend umzuräumen. Dann ging es direkt an die Arbeit.

 

Ich habe die meiste Zeit in der Woche mit Dr. Pete zusammengearbeitet. Meine Aufgabe war es zu übersetzen. Zu Beginn war mein Englisch noch etwas stockend, da ich hier seit meiner Ankunft kaum Englisch gesprochen habe. Nach einigen Stunden aber, hatte mein Gehirn die Sprachen einigermaßen sortiert und das Übersetzen fiel dann deutlich leichter. Neben vielen einfachen Fällen, wie z.B. einige Kinder, denen wir bestätigen konnten, dass sie gesund sind und leichten Sehschwächen, gab es auch einige kompliziertere Fälle. Es gab leider auch Menschen, die aufgrund von einem Unfall auf einem Auge nicht mehr sehen konnten oder die grünen oder grauen Star hatten. Diesen konnten die Ärzte nicht weiterhelfen. Besonders der graue Star war in dem Gebirgsdorf selbst bei jüngeren Menschen sehr verbreitet. Diesen kann man eigentlich mit einer relativ einfachen Operation entfernen, aber da vor Ort keine chirurgischen Eingriffe durchgeführt werden konnten, blieb uns nur übrig denjenigen zu sagen, dass sie sich dafür woanders Hilfe suchen müssen. Besonders für mich war das ein harter Job, da die Patienten ja nur mit mir direkt geredet haben, weil Dr. Pete kein Spanisch spricht. Es gab viele Menschen, die mit der Hoffnung auf Heilung gekommen waren, die ich ihnen dann nehmen musste. Am ersten Tag musste ich mir sogar einmal Hilfe bei unserem Clubpräsidenten holen, weil mir die Person nicht glauben wollte, dass wir nichts tun können. Als junges Mädchen habe ich wohl nicht den Eindruck vermittelt, glaubwürdig zu sein. Mit der Zeit habe ich mehr Übung darin gefunden schlechte Nachrichten zu überbringen, aber leichter ist es dadurch nicht geworden. Ein weiterer Fall, der sehr oft auftrat, war der sogenannte Astigmatismus. Das ist nicht weiter dramatisch, sondern bedeutet nur, dass die Sehschwäche asymmetrisch ist und man umgangssprachlich ausgedrückt einen Knick in der Optik hat. Das Problem dabei ist, dass man dafür genau angepasste Brillen braucht, was man mit so einer Aktion nicht realisieren kann. Manchmal hilft diesen Leuten eine normale Brille zumindest ein wenig, je größer das Problem jedoch ist, desto weniger klappt das. Es ist blöd einem Kind und seinen Eltern zu erklären, dass das Kind die Tafel nicht sehen kann, wir aber mit den Brillen, die wir haben, nicht weiterhelfen können. Es gab nicht wenige, die dieses Problem mit mehr als drei Dioptrien hatten und bei denen es mir wirklich leid tat nicht helfen zu können. Ich selber habe das Problem an einem Auge mit knapp einer Dioptrie und mich stört es schon wenn ich lange ohne Brille draußen unterwegs bin und ich mag mir gar nicht vorstellen wie das ist, wenn man das noch stärker hat.

 

Ein Problem, dass in allen Teilen der Stadt aufkam war, dass die Leute alle über unheimlich trockene und gereizte Augen geklagt haben. Dagegen hilft meist schon ein mit kaltem Wasser befeuchtetes Handtuch, welches man einige Minuten über die Augen legt. Aber auch der Gebrauch einer schützenden Sonnenbrille, die sowohl schädliches UV-Licht abhält, als auch vor Wind schützt, würde schon helfen. Es war erschreckend, wie viele der Menschen eine „Entspannungsbrille“ wollten, weil irgendein einheimischer Arzt solche Brillen verschreibt, die kaum Stärke haben, um sich wahrscheinlich etwas dazu zu verdienen. Das hat unter den Einheimischen die Runde gemacht und ich musste zig Leuten erklären, dass das nicht die Lösung des Problems ist. Dinge, die für die meisten Europäer sehr wahrscheinlich logisch sind und die jedes Kind weiß, sind hier ein Mysterium. Für die nächste Aktion in dieser Richtung wäre es vielleicht ganz gut, auch Sonnenbrillen zu organisieren, die man verteilen kann.

 

Am ersten Tag haben wir um die 400 Patienten behandelt und waren zeitlich sogar relativ früh fertig, da wir mit über 500 Leuten gerechnet haben. Zeitgleich hat aber ein großer Streik der Einheimischen in Latacunga stattgefunden, der viele der Bewohner der ländlichen Zone daran gehindert hat, zu uns kommen.

 

Am nächsten Tag ging es nach Guaytacama, einem etwas größeren Vorort von Latacunga in der Nähe der Schule, die ich mit meiner Schulklasse zur „geteilten Weihnacht“ besucht habe. Am Vorabend hatte sich Martha, eine weitere Austauschschülerin, bei Alessandra gemeldet, dass sie in der Stadt ist und gerne etwas mit uns unternehmen möchte. Martha ist aus meinem Distrikt in Deutschland und wohnt eigentlich in Porto Viejo an der Küste. Da dort aber jetzt „Sommerferien“ sind, ist sie nach Latacunga gekommen, um ihre Gastschwester zu besuchen, die hier studiert. Wir haben ihr von der Aktion erzählt und sie hat sich entschieden ihre Hilfe anzubieten und uns zu begleiten. Die Rotarier haben sich natürlich sehr über eine weitere Übersetzerin gefreut, da die Englischkenntnisse der meisten Menschen hier eher bescheiden sind. Die arme Martha war ein wenig erkältet, hat sich davon aber nicht abhalten lassen fleißig mit anzupacken. Auch in Guaytacama habe ich wieder mit Dr. Pete zusammengearbeitet und wir hatten viel Spaß bei der Arbeit. Ich habe ein wenig über Augen gelernt und wir haben uns sehr nett unterhalten. Er selbst hat schon Enkel in den Staaten und hat durch die vielen Hilfsaktionen schon eine Menge Erfahrungen sammeln können. Generell war das Arbeitsklima sehr angenehm. Wir haben jeweils mit zwei Doktoren im Raum zusammengearbeitet. Alessandra und ihr Partner Dr. waren mit bei uns im Raum. Dr. Bruce hat uns jeden Tag Schokoriegel mitgebracht. Die Rotarier hatten generell eine gute Versorgung mit Getränken und Essen organisiert. Für Zwischendurch gab es Obst und Süßes und das tägliche Mittagessen war stets nährreich und lecker. Am Dienstag hatten wir über 500 Patienten. Ein Junge hat vor Freude geheult, als er seine Brille bekommen hat. Bedingt durch einen Hirntumor war seine Sicht so stark eingeschränkt, dass er von jemandem geführt werden musste. Wir konnten seinen Tumor natürlich nicht heilen oder ähnliches, aber mit der Brille war er wieder fähig so viel zu sehen, dass er keine Minute später mit seiner kleinen Schwester spielend über den Hof rennen konnte, was ihm seit Jahren verwehrt war. Solche Schicksale haben gezeigt wie viel man mit solch einer scheinbaren Kleinigkeit wie einer Brille erreichen kann. Einigen konnten wir nicht helfen, aber der Mehrzahl der Patienten konnten wir ein Stück Lebensqualität zurückgeben.

 

Auch am Mittwoch hat Martha uns noch einmal begleitet. Diesmal ging es in die Innenstadt Latacungas. Dort gab es wie erwartet Unmengen an Patienten. Da Alessandra Magenprobleme hatte und sie Martha immer mitgenommen hat, sind die beiden erst zur Mittagspause gekommen. Die ersten eineinhalb Stunden musste ich für zwei Ärzte übersetzen, bis die Rotarier jemand weiteren mit ausreichenden Englischkenntnissen organisiert hatten. Das war echt ein harter Job und mein Hirn war danach echt platt, aber meine Motivation war dadurch nicht gedämpft. Allein das Wissen, dass wir so vielen Menschen helfen konnten, war alle Anstrengungen wert. Ich habe noch nie in meinem Leben Menschen in solcher Armut kennengelernt. Ich habe immer gedacht, die ärmsten Leute Leben auf dem Land, aber es sind diejenigen in der Stadt die hungern. Auf dem Land haben so gut wie alle Landwirtschaft und ihr Vieh. Sie haben keine materiellen Reichtümer, aber ihre Ernährung ist gesichert und im besten Fall bleibt sogar noch etwas übrig was sie verkaufen können. Die armen Menschen in der Stadt hungern und das hat man einigen von ihnen ansehen können. Eigentlich wollten Alessandra, Martha und ich am Abend noch zusammen in die Stadt gehen und was zusammen Essen bevor Martha am Donnerstag wieder zurück nach Porto Viejo gefahren ist, aber es war schon relativ spät als wir nach fast 600 Patienten fertig für den Tag waren. Es haben noch mehr Menschen vor den Toren gewartet, aber mehr waren wirklich an Kapazität nicht drin. So leid es uns für die restlichen Menschen tat, aber um kurz nach sechs nach stundenlanger harter Arbeit konnten die Ärzte nicht mehr bewältigen. Die beiden anderen Mädels sind dann noch mit zu mir nach Hause gekommen und zusammen mit meinen Gastgeschwistern haben wir zur Entspannung noch eine Runde Mensch ärgere dich nicht gespielt.

 

Am Donnerstag ging es in einen anderen Vorort von Latacunga. Pujíli liegt in der Richtung, in der meine erste Gastfamilie wohnt. Leider hat es meinen Partner Dr. Pete in der Nacht mit einer üblen Magenverstimmung erwischt und so waren wir nur mit drei Ärzten vor Ort. Wir haben alle in einem Raum gearbeitet und ich habe den Hauptteil der Zeit für Dr. Scott übersetzt, bin zwischendurch aber auch für Dr. Bud eingesprungen, da dessen Übersetzer unser Clubpräsident war und der des Öfteren durch andere Dinge beschäftigt war, um die er sich zusätzlich noch kümmern musste. Durch den fehlenden Arzt mussten wir noch härter arbeiten, um das Pensum zu bewältigen. Außerdem hatten wir an diesem Tag noch einige Härtefälle.

 

Ein Patient hatte eine Schraube im Auge gehabt, die bereits etwa eine Woche zuvor entfernt worden war. Das Loch war trotzdem noch da. Der Mann wollte nur wissen, ob es noch irgendeine Hoffnung für die Sehkraft dieses Auges gibt. Leider mussten wir ihm mitteilen, dass die Nerven durch den Unfall geschädigt worden waren und er auf dem Auge blind bleiben würde, aber das hat er relativ gelassen aufgenommen, da er damit bereits gerechnet hatte. Immerhin konnten wir ihn beruhigen, dass es keine Infektion im Auge gab und auch der Druck im Inneren im Normalberreich lag und er somit keine Operation zur Entfernung des gesamten Auges machen muss. Er hatte die besagte Schraube zur Präsentation mitgebracht. Diese war gute 1,5 cm lang und hatte einen relativ großen Durchmesser und es war unglaublich, dass dieses Teil wirklich im Auge drin war.

 

Ein weiterer Härtefall war eine sehr alte Dame die beinahe komplett blind war durch grünen Star. Dieser war schon bereits so weit fortgeschritten, dass es keine Hoffnung mehr für Ihre Sehkraft gab. An einem Auge hatte sie bereits eine Operation zur Ersetzung der Linse. Die künstliche Linse war nach der Zeit getrübt. Mit einer einfachen Laseroperation könnte man ihr helfen. Das haben wir ihr auch lang und breit erklärt und auch auf eine Organisation hingewiesen, die solche Eingriffe in Salcedo in der Nähe Latacungas kostenlos macht. Eine Brille hätte ihr in keiner Weise weitergeholfen. Das wollte sie aber nicht einsehen. Sie weigerte sich sogar den Raum zu verlassen. Zusammen mit unserem Clubpräsidenten habe ich sie dann freundlich herausbegleitet und andere Rotarier haben sich darum gekümmert, dass eine Nachbarin die Frau nach Hause gebracht hat. Das hat die Dame aber nicht davon abgehalten auf eigene Faust wiederzukommen und jeden Rotarier den sie erwischt hat damit zu nerven, dass sie eine Brille bräuchte. Auch mich hat sie noch einmal abgefangen, als ich nach Kindern in der Warteschlange gesucht habe. Aus Zeitgründen haben wir die Kinder wegen des fehlenden Dr. Pete aussortiert und separat im Schnellverfahren überprüft, welches der Kinder überhaupt eine genauere Untersuchung braucht und welches gesund ist. So konnten wir viel Zeit sparen.

 

Am schlimmsten dran war aber ein kleines siebenjähriges Mädchen, bei dem wir ein Anfangsstadium von Augenkrebs diagnostiziert haben. Alle drei Doktoren hatten die kleine Wucherung im Auge untersucht, um andere Möglichkeiten auszuschließen. Gemeinsam mit unserem Clubpräsidenten musste ich der Mutter sagen, dass ihr Kind sehr wahrscheinlich eine Form von Krebs hat, die schnell behandelt werden muss, damit das Auge nicht geschädigt wird und das Problem nicht größer wird. Zu ihrem Glück war der Krebs im absoluten Anfangsstadium. Später hat der Rotaryclub beschlossen, dass er die weiteren Untersuchungen und die wahrscheinlich notwendige Operation zur Entfernung finanziell unterstützen will. Das Engagement an dieser Stelle finde ich beeindruckend. Ich habe leider keine weiteren Informationen darüber bekommen, wie es mit dem Mädchen weitergegangen ist und ob die Mutter wirklich mit ihr am nächsten Tag in der Klinik war, wie wir es ihr gesagt hatten. Ich hoffe, dass das Ganze ein gutes Ende genommen hat.

 

Wir haben trotz eines Arztes weniger wieder um die 500 Patienten behandelt. Es war allerdings schon reichlich spät und deswegen hätte ich es nicht mehr bis ans andere Stadtende nach Hause geschafft, bevor es am Abend zu einem abschließenden Abendessen mit allen Helfern und den Amerikanern ging. Deswegen bin ich kurzerhand mit zu Alessandra mit nach Hause in meine erste Gastfamilie gegangen. Fáti und Rosy waren so lieb, mir frische Klamotten zu leihen und ich konnte auch eben duschen gehen nach der anstrengenden Arbeit. Danach ging es in das Restaurant des Hotels, in dem die Amerikaner untergebracht waren. Dort habe ich auch Dr. Pete wiedergesehen, dem es zum Glück schon wieder deutlich besser ging. Die Rotarier haben neben dem leckeren drei Gänge Menü auch noch eine kleine Tanzshow mit ecuadorianischen Volkstänzern organisiert. Dadurch wurde es bereits sehr spät und meine Gasteltern wollten mich nicht so spät in der Nacht abholen. Damit ich deshalb nicht schon mittendrin gehen musste, habe ich also Rosy angerufen und gefragt, ob ich bei ihr schlafen kann. Sie hatte damit, wie erwartet, kein Problem. Alessandra hat mir dann in der Nacht netterweise einen Schlafanzug geliehen.

 

Dummerweise hatte ich mich sehr wahrscheinlich bei Martha angesteckt und lag am nächsten Morgen ja - wie bereits berichtet - krank mit einer Grippe im Bett, aber die Geschichte kennt ihr ja schon.

 

Ich bin unglaublich dankbar diese Erfahrung gemacht haben zu können. Es war ein schönes Gefühl zu wissen, wirklich geholfen zu haben. Im nächsten Februar veranstaltet der Club eine ähnliche Aktion mit einer großen Gruppe von Chirurgen aus den Staaten, bei der sie auch immer Hilfe brauchen. Ich werde mal schauen, ob es mir vielleicht möglich ist, zu der Zeit hierher zurückzukommen, denn mir ist bewusst geworden, dass es hier unheimlich viele Menschen gibt, die Hilfe brauchen und auch wenn Übersetzen nur ein kleiner Teil der Arbeit ist, so freut es mich doch mit meinen Möglichkeiten geholfen zu haben.

 

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