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Meine neue Gastfamilie

Am Samstagnachmittag hat mein Counselour mich dann zur neuen Gastfamilie gebracht. Dort ist er auch noch eine Weile gemeinsam mit seiner Frau geblieben und wir haben uns ein wenig unterhalten. Danach habe ich erst einmal mein neues Zimmer bezogen. Der Schrank ist dieses Mal nicht ganz so großzügig gewesen, wie in meiner ersten Familie, aber meine Sachen passen gerade eben so noch in die freien Schubladen. Ansonsten ist das Zimmer recht klein, aber gemütlich. Die Aussicht aus dem Fenster ist nicht unbedingt spektakulär, aber immerhin ist auch hier die Luft sehr frisch und sauber, weil ich nun lediglich am anderen Ende von Latacunga auf dem Land wohne. Zu meinem Zimmer gehört auch ein kleines Bad mit Badewanne. Leider gibt es Moment noch kein warmes Wasser in selbigen, weil irgendetwas zur Wassererwärmung in diesem Teil des Hauses kaputt gegangen ist, aber trotzdem ist es ganz angenehm wieder ein eigenes Bad zu haben. Dieses Mal gibt es sogar ein Waschbecken und Stauraum für meine Sachen. Zum Duschen muss ich im Moment immer ins Badezimmer von meinen Gasteltern am anderen Ende des verwinkelten Hauses gehen, weil es nur dort warmes Wasser gibt. Bis jetzt klappt das Koordinationstechnisch ganz gut und ist kein Problem für mich.

 

Direkt vor der Haustür betreibt meine Gastfamilie einen kleinen Bauernhof, den sie jeden Sonntag für Besucher öffnen. Es gibt viele verschiedene Tiere. Eine Hand voll Milchkühe ist mit dabei und deswegen haben wir immer frische Milch im Haus, was ich persönlich richtig cool finde. Der Geschmack ist ganz anders als von der Milch, die ich bisher getrunken habe und ich muss mir keinerlei Sorgen machen, dass hier jemand auf die Idee kommt Milchpulver zu benutzten, welches hier in Ecuador ja sehr verbreitet ist, was mir nicht schmeckt und was meinem Magen nicht so gut bekommt. Den darauffolgenden Sonntag habe ich dann größtenteils draußen mit zwei kleinen Cousins verbracht. Meine siebenjährige Cousine hat mir die ganzen Tiere vorgestellt und mein dreijähriger Cousin hat allerlei Unsinn angestellt. Es gibt hier Hühner, Gänse, Meerschweinchen, Kaninchen, ein Lama, ein Schaf, einen Esel, drei Pferde (eher Ponys) und Kühe. Besonders niedlich waren natürlich die kleinen Babyhäschen und die zwei Gänseküken. Danach haben wir gemeinsam den Birnenbaum geplündert. Dabei hatten wir jede Menge Spaß. Die Birnen sind absolut unbehandelt und echt lecker. Ein Teil davon essen wir selber, die etwas schlechter Aussehenden werden als Tierfutter verwertet. Jeden Sonntag essen wir in dem kleinen Restaurant, welches meine Familie für die Besucher betreibt. Das bedeutet es gibt meist Pommes und etwas Fleisch vom Grill.

 

Zur Schule gibt mir meine neue Gastmama Maria Antonieta immer etwas zu Essen mit. Normalerweise gibt sie ihren Kindern immer noch einen Saft mit, aber da ich viele Säfte nicht vertrage habe ich sie im Laufe der Woche gebeten mir einfach Wasser mitzugeben. Neben den Birnen haben wir auch noch jede Menge Baumtomatenpflanzen im Garten und dessen sauren Saft gibt es fast jeden Tag, da gerade Erntesaison ist, den ich leider nicht vertrage.

 

Ich habe jetzt zwei kleine Gastgeschwister. Carolina ist gerade 13 geworden und Felipe ist 11. Besonders mit Felipe verstehe ich mich echt gut, nachdem ich begeistert mit ihm stundenlang „Super Mario Galaxy 2“ auf der Wii gespielt habe. Ich habe das Spiel vor einigen Jahren ebenfalls geliebt und habe mich über diese Beschäftigung sehr gefreut, denn in dieser Familie sind alle mehr für sich.

Mein Gastvater Oswaldo kandidiert für die Bürgermeisterwahl in Latacunga, die ende März stattfindet und ist deshalb oft außer Haus und sehr beschäftigt. Dazu lebt noch sein Vater, der ebenfalls Oswaldo heißt, mit im Haus. Dieser ist halbseitig gelähmt und braucht sehr viel Pflege. Wie üblich hier, übernimmt das die Familie und somit ist auch meine Gastmama fast die ganze Zeit beschäftigt. Das war für mich besonders in der ersten Woche echt schwierig, weil ich niemanden hier im Haus habe, mit dem ich über Dinge, die mich beschäftigen, reden kann. Meine Gastgeschwister sind dafür zu klein und besonders Carolina ist gerade in einem schwierigen Alter, wenn ihr versteht was ich meine. In meiner ersten Gastfamilie konnte ich immer mit Fáti oder meinen Eltern reden, hier ist das etwas anders.

Zudem war Maria Antonieta besonders zu Beginn sehr reserviert mir gegenüber und wir haben eine Weile gebraucht, bis wir etwas besser miteinander klargekommen sind. Durch die vielen Aufgaben im Haushalt und ihren kranken Schwiegervater ist sie sehr gestresst und schnell genervt. Ich habe ihr bereits meine Hilfe angeboten, aber sie hat das Angebot nett abgelehnt.

Am Freitag danach habe ich mich mit Fáti und Alessandra getroffen und wir sind zusammen mit einigen Freunden in der Stadt gewesen. Das war ganz okay, denn es hat mich wieder trauriger gestimmt meine erste Gastfamilie wiederzusehen, während es in der neuen Familie noch nicht so gut geklappt hat. Am Samstag hat mich Alessandra dann noch einmal besucht, weil ich ihr ein bisschen Nachhilfe in Mathe gegeben habe, da wir die Halbjahresprüfung in Mathe bestehen müssen, damit wir kein Problem mit der Schule bekommen. Ich muss nur in Mathe und in Spanisch bestehen, Alessandra noch in zwei Fächern mehr.

Sonntags hatten wir dann eine Schulveranstaltung. Der Familientag ist eine Tradition meiner Schule hier. Es wurde eine Show mit Polizeihunden gezeigt, die wirklich schön war. Die Hunde verschiedener Rassen konnten fantastische Tricks zeigen und das Programm an sich war sehr schön und besonders kindgerecht. Danach wurden Spiele veranstaltet, bei denen Stellvertreter jeder Klasse Pizza für die ganze Klasse gewinnen konnten. Dummerweise waren aus meiner Klasse insgesamt so wenige dar, das wir nicht teilnehmen konnten. Ein Teil des Wettbewerbs bestand aus einem Haustierwettbewerb. Carolina hat also kurzerhand unser Lama mit in die Schule genommen und den Preis für das größte Haustier gewonnen. Das Lama hatten wir zuvor einfach in den Kofferraum des Autos verladen. Dazu hatten wir auch noch zwei Hasenbabys mit, die den Preis für das kleinste Haustier gewonnen haben. Leider waren nicht allzu viele meiner Freunde da und deswegen wurde es mit der Zeit etwas langweilig. Die Spiele waren sehr langatmig und ich war eigentlich froh, dass wir dann dem Lama zu liebe früher gegangen sind.

 

Den Montag darauf begann eine viertägige Aktion von Rotary, bei der Alessandra und ich mitgeholfen haben. Eine Gruppe von zehn Amerikanern, darunter vier Augenärzte, sind zum dritten Mal nach Latacunga gekommen, um kostenlos Brillen zu verteilen und den Menschen hier damit zu helfen. Darüber werde ich aber genauer in einem separaten Blogeintrag berichten. Es war eine der spannendsten Erfahrungen, die ich bisher hier sammeln konnte.

Von eben diese Aktion hatten wir am Donnerstagabend ein Abschiedsessen. Dieses dauerte bis kurz vor Mitternacht. Da mein Gastvater mich nicht mehr so spät abholen wollte und ich die Veranstaltung nicht früher verlassen wollte, haben wir ausgemacht, dass ich bei Alessandra übernachtet habe. Da das Apartment meiner ersten Gastfamilie in Quito für einen längeren Zeitraum ohne Möbel angemietet wurde und diese jetzt alle nach Latacunga transportiert wurden, steht dort in Alessandras Zimmer jetzt ein Doppelbett und dementsprechend war es kein Problem. Am Abend war ich noch fit, aber am Freitagmorgen hatte mich eine Grippe voll erwischt. Ich hatte Fieber und selbst der Hunger war mir vergangen. Nach der ersten Paracetamoltablette ging es mir erst ein wenig besser, aber schon einige Stunden später war ich nicht einmal mehr fähig das Bett zu verlassen, weil mein Kreislauf komplett schlapp gemacht hat. Daraufhin hat Rosy bei Maria Antonieta angerufen und mit ihr ausgemacht, dass ich noch eine Nacht dableiben kann und sie mich erst am Samstag abholen. Alessandra hat mir netterweise ein paar Klamotten geliehen und alle haben sich sehr gut um mich gekümmert, während ich gefühlt halb tot im Bett hing und mich wirklich elend gefühlt habe. Ich erinnere mich nicht mehr daran, wann mich eine Grippe das letzte Mal dermaßen erwischt hat.

Samstag wurde ich dann abgeholt und wollte eigentlich nur noch ins Bett und schlafen. Das habe ich dann auch gemacht, denn am Wochenende haben auch hier die Ärzte geschlossen und die Zustände in den Notaufnahmen hier sind sehr schlecht, deswegen sind wir dann erst Montag zu einem Arzt gefahren. Ich konnte mich immer noch kaum alleine auf den Beinen halten und sah wirklich schrecklich aus, da ich es in dem Zustand nicht einmal unter die Dusche geschafft hatte. Der Arzt hat mir dann kurzerhand eine Spritze mit Antibiotika in den Popo gegeben, weil das der schnellste und effektivste Weg war, um mir zu helfen. Zusätzlich habe ich noch Tabletten mit hohem Paracetamolanteil verschrieben bekommen, die ich dann die nächsten Tage nehmen musste. Am Dienstagmorgen habe ich mich erstmal etwas besser gefühlt, bis dann gegen Mittag mein rechtes Ohr angefangen hat weh zu tun. Nach dem Mittagessen war der Schmerz dann bereits so stark, dass ich geheult habe und wir sind noch einmal zum Arzt gefahren. Wer mich kennt, weiß dass mich Schmerzen normalerweise, besonders beim Fußball, nicht so schnell aus der Bahn werfen, aber das war wirklich die Hölle. Die Diagnose war dann wenig überraschend: starke Mittelohrentzündung. Ich habe dann noch eine Spritze bekommen und Ohrentropfen verschrieben bekommen.

Der Arzt war aber davon überzeugt, dass ich am nächsten Tag ja wieder in die Schule gehen könne. Bis dahin hatte ich es immer noch nicht geschafft mich komplett zu duschen, geschweige denn die Haare zu waschen und ich habe mich immer noch beschissen gefühlt. Am Abend habe ich dann heulend meinen Counselour per Videoanruf in Kenntnis gesetzt, damit ich mich nicht darum kümmern musste. Hier in Ecuador ist es üblich, dass man auch wenn man krank ist zur Schule geht sobald man Tabletten hat, die irgendwie die Symptome ein wenig abschwächen. Von Ausruhen hat hier kaum jemand was gehört. Da ich meine Gesundheit nicht riskieren wollte, aber nicht mal genug Energie hatte, das mit meiner Familie auszudiskutieren, habe ich mir Hilfe von Rotary geholt. In dieser Woche fingen nämlich zusätzlich bereits die Prüfungen an und dafür bräuchte ich eigentlich ein Artest vom Arzt, weil ich gefehlt habe. Das wollte dieser mir ja nicht geben und deswegen war ich ein bisschen gestresst und habe mir Sorgen gemacht, dass es auch noch Stress mit der Schule gibt. Mein Counselour konnte mich dann beruhigen und hat mir versprochen sich um alles zu kümmern. Er war ohne Zweifel von dem Bild beim Videoanruf überzeugt, dass es mir wirklich schlecht ging und ich absolut nicht dazu fähig war in die Schule zu gehen. Bis Freitag habe ich eigentlich die ganze Zeit schlafend im Bett gelegen. Mir hat selbst die Energie gefehlt Netflix zu schauen und auch mein Hunger ist weggeblieben. Erst am Samstag habe ich dann das erste Mal wirklich das Bett verlassen, ordentlich geduscht und das Zimmer ein wenig auf Vordermann gebracht.

Sonntag ging es mir dann schon deutlich besser. Zum Mittagessen war Pedro mit seiner Familie zu Besuch, da seine Eltern gut mit meinen Gasteltern befreundet sind. Sie wohnen hier in der Nachbarschaft und waren mit Motorrädern und einem Quad hergekommen. Nachdem ich erzählt habe, dass ich in Deutschland auch Motorrad fahre, habe ich gemeinsam mit Pedro eine kleine Runde auf dem Quad gedreht. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Wir haben dann noch die Rosenplantage besucht, die sie zusätzlich zu der großen Plantage, die sie haben und die ich bereits im November kennengelernt habe, die direkt hinter meinem Haus liegt. Ich habe eine hübsche pinke Rose geschenkt bekommen und auch wenn der Ausflug an sich jetzt nicht sonderlich spektakulär war, so war es nach den ganzen Tagen im Bett mal wieder schön etwas an die frische Luft zu kommen.

Am Montag bin ich dann nach zwei Wochen der Abwesenheit wegen der Aktion von Rotary und meiner Grippe wieder zur Schule gegangen. Es stand direkt die Matheprüfung an, die für mich aber kein großes Problem dargestellt hat. Ich bin allerdings nicht in der Montagsuniform hingegangen, sondern habe die wärmste Variante angezogen, die wir normalerweise Dienstag und Donnerstag benutzten. Da ich immer noch ein wenig kränklich bin, hat man mir das aber durchgehen lassen und darüber bin ich echt froh.

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